Sonntag, 4. Mai 2014

Are you ready? Leseprobe ... *Der Wessi, der nicht in den Osten fahren durfte*

Guten Morgen meine Leser und alle Interessierte,

zunächst einmal ganz vielen lieben Dank für das große Interesse an meinem bald erscheinenden Roman: 
*Der Wessi, der nicht in den Osten fahren durfte*

Viele Mails haben mich erreicht, in denen ich gebeten wurde, eine Leseprobe einzustellen.

Sehr gerne komme ich diesen Bitten nach.


Bildquelle: fotolia.de
Anbei nun eine kleine Leseprobe aus meinem Buch: Der Ossi, der nicht in den Westen fahren durfte.



Vorwort


Die Idee zu diesem Buch ist entstanden, als bei mir eine Woche vor Weihnachten des Jahres 2013, nachmittags, mein Telefon klingelte.
Ein Bekannter von mir, ein Berliner Regisseur, wollte mich unbedingt für ein Filmprojekt an Bord holen. Der Dialog zwischen uns fand ungefähr so statt:
„Bärbel, du wolltest doch ein Buch über den Mauerfall schreiben. Hast du nicht Lust, für mich vorab zu diesem Thema das Skript für einen Kurzfilm mit dem Titel:
25 Jahre Mauerfall mit einer Länge von circa fünfzehn Minuten zu schreiben?“
„Hm. Interessant. Wie viele Seiten? Nicht zu vergessen, zu wann brauchst du das Manuskript?“ 
Ich war gebauchpinselt.

„20 Seiten und gerne innerhalb der nächsten zwei Wochen.“

In meinem Kopf schwirrte es wie in einem Bienenstock. 20 Seiten innerhalb von zwei Wochen? Wow, verdammt wenig Zeit. Ich hing meinen Gedanken nach.
Plötzlich spürte ich durch meine Denkpause am anderen Ende der Leitung Nervosität aufkommen. Schnell antwortete ich:
„Puh ha, das Thema ist so umfangreich, dass es gut und hinreichend recherchiert werden muss. Wie du weißt, schreibe ich gerade an einem Manuskript zu einem ganz anderen Thema.“
„Ja, ich weiß, du sagtest: ‘Einen Fuß vor den anderen setzen‘. Ich dachte jedoch, dass du dir dennoch schon Gedanken zu diesem Thema gemacht hast. Sollte für dich doch zu schaffen sein, ihr Frauen seid doch multitaskingfähig. Außerdem möchte ich dir helfen, deinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Da kann ein Filmskript schon einiges bewirken. “Setzte mein Bekannter nach. Hörte ich da etwa einen arroganten Unterton?
„Ganz ehrlich? Nein, ich habe mir noch keine Gedanken zu diesem Thema gemacht. Ja, sicherlich hast du recht, ich wollte in 2014 ein Buch über 25 Jahre Mauerfall schreiben. Wie gesagt. In 2014. Zudem bin ich Autorin und keine Drehbuchautorin. Ein weiterer Aspekt ist, dass das Weihnachtsfest vor der Tür steht! Das Thema 25 Jahre Mauerfall ist monumental, unglaublich mannigfaltig. Es ist kein Fantasyroman. Es ist deutsch-deutsche Geschichte! Sorry, ich kann mich jetzt nicht ad hoc entscheiden. Ich muss nachdenken. Ich melde mich morgen bei dir und gebe dir meine Antwort.“
„Ich verstehe dich nicht. Du brauchst Bedenkzeit? Warum? Der Film kann dein Durchbruch sein.“ Antwortete mein Bekannter beleidigt und beendete das Gespräch ohne sich von mir zu verabschieden.
Durchbruch oder Genickbruch dachte ich. Doch ich muss zugeben, er hatte mich infiziert. Er hatte sein Ziel erreicht. Ich ließ mein bisher unvollendetes Manuskript, eine Hommage an meine beiden Söhne, liegen und machte mich just an die Recherche. Doch, sehr schnell bemerkte ich, dass ein 20-seitiges Skript, Arial 11, nicht im Entferntesten ausreichen würde, der Geschichte des erloschenen Staates DDR gerecht zu werden. Wie ich mich auch drehte und wendete, ich war mir sicher, das kann nur in die Hose gehen. Für Tiefgründigkeit blieb in der Kürze der angedachten Drehzeit keinerlei Raum. Ein so ernstes Thema der Nachkriegsgeschichte kann und sollte nicht nur abgehandelt werden. Nein, es bedurfte mehr. Viel mehr.
Ich wollte eine ausführliche Zeitreise erzählen. 
Wollte, dass sich die Menschen, die seinerzeit in diesem Staat gelebt haben, sich wiederfinden.
Wollte, dass die Menschen, die nicht in diesem System gelebt haben, hautnah miterleben, wie es seinerzeit war, in einem Kokon zu leben.
Wollte jedoch nicht als Stimmungsbarometer fungieren.
Ich versuchte meine Rechercheergebnisse auf 20 Seiten, Arial 11, zu schreiben … doch, es wollte mir nicht gelingen. Ich fragte mich, wie viel meines Materials lässt sich in bewegte Bilder umwandeln?
Was muss, was darf, was kann alles erzählt werden?
Was muss man weglassen?
Ich traf eine Entscheidung.
Ich war nicht bereit, dieses Thema abzuhandeln und in nur fünfzehn zur Verfügung stehenden Drehminuten runterzuleiern.
Ich sagte meinem Bekannten und somit der großen Verlockung, mein Manuskript als Kurzfilm auf den großen Leinwänden dieser Welt zu sehen, schweren Herzens ab.
Schon immer war und ist meine Devise:
Mach etwas richtig oder mach es gar nicht!
Mein angefangenes Manuskript, zum Thema 25 Jahre Mauerfall, lag über Weihnachten eine Woche, ganze sieben Tage, unbearbeitet auf meinem Schreibtisch.
Im neuen Jahr nahm ich das angefangene Manuskript wieder in die Hand, als auch die Recherche erneut auf. Wenn ich schon einmal mit meinem angedachten Werk 25 Jahre Mauerfall angefangen hatte, konnte ich es auch zu Ende schreiben.

Das Projekt, das ich zuvor zu Papier bringen wollte, konnte warten. Sehr schnell merkte ich, wie mich die Geschichte des Mauerfalls, des Regimes und die Zeitgeschichte des einstigen Bauern- und Arbeiterstaats mehr und mehr in seinen Bann zog. Bis ich letztlich lichterloh brannte. Die Manuskriptseiten wuchsen und wuchsen zusehends.
Ich suchte Zeitzeugen. Gefunden habe ich auf meiner Suche Christian Schmidt und Holger Budikowski. (Die Namen sind abgeändert, um die Anonymität der Beiden zu wahren).
Die beiden Männer waren für mich ein Geschenk des Himmels. Als ich ihnen erzählte, dass ich einen Roman sowohl über den Mauerfall als auch über die Geschichte und das Leben im Kokon der DDR, in der Enklave Westberlins, schreiben wollte, boten mir die beiden selbstlos ihre Unterstützung an. Beide nahmen sich etliche Stunden Zeit für mich.
Christian als gebürtiger Ossi, der zum Wessi wurde, und zur Regierungszeit der Funktionäre der DDR nicht mehr in seine alte Heimat und damit zu seinen Wurzeln reisen durfte.
Holger, der mich an seiner Jugend in der DDR, an seiner Flucht und an seiner harten Landung nach der Flucht, in dem vermeintlichen Schlaraffenland BRD, teilhaben ließ. Beide Männer haben mich mit diversen Informationen zu dem Leben in dem zwischenzeitlich komplett von der Bildfläche verschwundenen Arbeiter- und Bauernstaat versorgt. Haben mir tiefe Einblicke in ihr Leben gewährt. Entstanden ist nun dieses wunderbare Buch.
Durch die Gespräche mit Christian Schmidt und Holger Budinkowski gewann ich einen tiefen Einblick in den Alltag der Bürger der DDR, in die Machenschaften der Stasi, der Vopo und Co., desgleichen in die gesamte Geschichte des erloschenen Staates DDR.


Wehleid, Herzeleid, Liebeskummer


 Jan, ein gebürtiger Berliner, der eine frappierende Ähnlichkeit mit dem männlichen Part des Glamour Hollywoodpärchens Brangelina aufwies, saß mit einem ihm bis dahin völlig Unbekannten, einem Touristen aus Bayern, den er erst vor einer Zigarettenlänge kennengelernt und der sich ihm als Ronny vorgestellt hatte, gemütlich auf einen kleinen Plausch in seiner Lieblingskneipe‚ dem Biergarten Berliner Weiße, in Kreuzberg. Sein Lieblingsbiergarten war ein echter Klassiker unter den Berliner Biergärten. An guten Tagen trafen sich hier sowohl kreative Szenetypen, Schauspieler als auch Schlipsträger aus Politik und Wirtschaft. Bei schönem Wetter waren die mehr als achthundert Plätze meist gut besetzt.
Auch das eine oder andere schattige Plätzchen unter dem alten Baumbestand des riesigen Anwesens, ließ sich hier bei schönem Wetter, leicht finden. 
Ein Bootsverleih, der ganz in der Nähe residierte, lud zu einer gemütlichen Kahnpartie ein.
Es war ein lauer Frühlingsnachmittag am 04. April 2014. Die Zeiger auf Jans Uhr zeigten ihm fünfzehn Uhr dreißig an. Die Sonne schien schon kräftig. Beide Raucher hatten es sich, so gut es die Gegebenheiten zuließen, gemütlich gemacht. Ihrer Nikotin- und Kondensatsucht gehorchend, draußen, im Freien, auf den weiß-grün gestreiften Polstern ihrer Klappgartenstühle des hippen Szenelokals. Bei Bedarf konnte man auf die über die Rückenlehnen der Stühle gelegten grünen Kuscheldecken, zurückgreifen. Zwischen den beiden mittelalten Männern stand ein massiver, stabiler kleiner runder Klapptisch mit grünen Metallbeinen, grünen Füßen und einer weißen Tischplatte.

Der Biergarten war nett und einladend hergerichtet. Beide Männer genossen hier, im Freien, ihren heißen, frisch gebrühten Becher Kaffee mit einem Schuss Kakao und einer kleinen Brise Salz. Ein Geheimtipp für Besucher des Berliner Weiße Biergartens. 
Des Weiteren genossen die beiden gelungenen Herren der Schöpfung die ersten warmen Sonnenstrahlen und sowohl die vorbeigehenden ersten knappen Hotpants als auch die kurzen Miniröcke der meistens hübsch anzusehenden Frauen. Die vorbeiziehenden Mädels, aber auch die Männer, konnten sich ihrerseits beim Vorbeiziehen einen zweiten Blick in Jans Richtung nicht verkneifen. War er‘s oder war er‘s nicht?
Einen Meter achtzig reine Männerpower, dunkelblonde, volle schulterlange Haarpracht, einen athletischen, durchtrainierten Body, der die Vermutung zuließ, Jan wäre ein Kandidat eines großen amerikanischen Magazins, dass ihn in seiner am Jahresende erscheinenden Sonderausgabe zum ‘Sexiest Man Alive‘ küren würde.

Jan nahm von dem Interesse an seiner Person keine Notiz. Er war sich seiner charismatischen Wirkung auf seine Mitmenschen noch nie bewusst. Klar fand er sein Spiegelbild an mehr als 360 Tagen völlig in Ordnung. Er wusste um seine frappierende Ähnlichkeit mit einem der einflussreichsten Schauspieler Hollywoods. Doch war ihm seine äußere Schale nicht wichtig. Er war ein tiefsinniger, introvertierter Mensch.

Nach dem Genuss ihres köstlichen Heißgetränks und einem vorangegangenen Small Talk, wechselte Jan schwermütig das Genre.
Aus dem netten Small Talk wurde:
Eine Geschichtsreise.
Eine Zeitreise durch die Geschichte der ehemaligen DDR.
Eine Zeitreise sowohl der politischen als auch der strukturellen Nachkriegsentwicklungen hüben wie drüben, zu den Katz- und Maus-Spielen in dem einst geteilten Deutschland.
Eine Zeitreise zurück zu dem größten Nachkriegsereignis der deutschen Geschichte, zum großen Maulaffen feilhalten, als sich ganz plötzlich, vor fünfundzwanzig Jahren, der Eiserne Vorhang quasi über Nacht, öffnete.
Eine Zeitreise, ein repräsentativer Querschnitt durch sein Leben.


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